Ayurvedaärztin und Gründerin von euroved Dr. Harsha Gramminger erläutert im Interview mit dem Magazin eff. (echt.faszinierend.feminin.), wie eine ayurvedische Behandlung abläuft, wie Frauen im mittleren Alter Kraft tanken können und warum die altindische Gesundheitslehre auch Unternehmen hilft, besser zu wirtschaften.
Wenn Frauen erblühen
Einen Großteil ihres Lebens widmete Dr. med. Harsha Gramminger der Ausbreitung der integrativen Medizin mit dem Ziel der Anerkennung des ganzheitlichen Gesundheitsansatzes in Europa. Die Ayurveda-Expertin ist Ärztin, Speaker, Autorin und Fachfrau für Vital Leadership. Sie setzt sich auch dafür ein, mehr Dynamik, Gesundheit, Kreativität und Effizienz in Unternehmen zu bringen.
Sie studierte Produktionstechnik und Humanmedizin, forschte an der Universität Chicago, lebte in Indien und USA. Dr. med. Harsha Gramminger betreibt seit 1992 unter anderen eine eigene ayurvedische Arztpraxis und Akademie in Italien und Deutschland und ist auf internationalen Kongressen ein gern gesehener Gast.
Ayurveda – das klingt für viele Menschen hierzulande nach Räucherstäbchen und Hokuspokus. Was hat es mit der altindischen Heilkunst wirklich auf sich?
Ayurveda bedeutet wörtlich die Wissenschaft vom langen und gesunden Leben. In Indien ist es das seit etwa 5.000 Jahren praktizierte und vorherrschende Gesundheitssystem. Im Gegensatz zur westlichen Medizin, die sich auf Krankheiten fokussiert, unterstützt Ayurveda ein wirklich gesundes, fittes und glückliches Leben. Ayurveda steht mit Rat und Tat zur Seite wo immer wir ihn brauchen, sei es die Lebensart, Wellness, richtiges Essen, Sport, Meditation und Kräutermedizin.
Der Ayurveda bietet uns Menschen die verschiedensten Ansätze, von einfachen Tipps für den Alltag bis hin zu sogenannten Panchakarma-Kuren, bei der der Patient bis in die tiefste Schicht seines Körpers entschlacken kann, um sich anschließend wieder mit verjüngenden Rezepturen neu aufzubauen.
Wie verbreitet ist Ayurveda in Deutschland? Wer sind Ihre Patienten?
Im Ayurveda gibt es keine One-size-fits-all-Lösungen. Stattdessen bietet Ayurveda individuelle Antworten für individuelle Herausforderungen. Deshalb kommen auch Menschen aller Altersgruppen aus den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen zu mir. Längst nicht nur mit gesundheitlichen Problemen. Häufig sind es Menschen, die an einer Kreuzung ihres Lebens stehen und nicht wissen, welche Richtung sie einschlagen sollen.
Zunehmend berate ich aber auch Unternehmer, in deren Firmen ein hoher Krankenstand besteht oder wo es in manchen Abteilungen einfach nicht läuft. Hier bietet der ganzheitliche Ansatz des Ayurveda oft neue Blickwinkel, aus denen sich blockierte Situationen lösen lassen. Ich nenne das Vital Leadership, weil es meiner Meinung nach vor allem auf gesunde Führungskräfte mit einem gesunden Führungsstil ankommt.
Wie kann man sich eine ayurvedische Behandlung oder Beratung vorstellen?
Auch eine ayurvedische Erstkonsultation beginnt natürlich bei den akuten Störungen. Sind sie körperlich, psychisch oder seelisch? Ich untersuche immer den Körper und stelle aber auch Fragen zur familiären und beruflichen Situation.
Im Ayurveda betrachten wir die Krankheitsursachen jedoch deutlich tiefgehender, als es die westliche Medizin vermag. Wir bekämpfen also nicht nur Symptome, sondern suchen vielmehr nach der Ursache, die das innere Gleichgewicht des Menschen gestört hat. Ziel der Behandlung ist es, den Patienten dazu zu befähigen, zukünftig ein gesünderes, fitteres und glücklicheres Leben zu führen, indem er Ernährung, Sport und Lebensweise auf seine individuelle Konstitution ausrichtet. Hierzu verfüge ich über einen sehr üppig gefüllten Werkzeugkasten.
Bei Unternehmen ist das Vorgehen ähnlich. Ich betrachte den Organismus als Ganzes, führe Einzelgespräche mit den Menschen in Schlüsselpositionen und nehme an Meetings teil, um zu erkennen, wo der Flow zwischen den einzelnen Menschen oder Abteilungen gestört ist. Hier kommt mir zugute, dass ich neben dem medizinischen auch einen ingenieurswissenschaftlichen Hintergrund habe.
Welche Krankheiten lassen sich Ihrer Erfahrung nach mit Ayurveda besonders gut behandeln?
Ich sage jetzt einfach mal alle. Das metabolische Syndrom ist eines der Beispiele, das sich aus Adipositas, Hyperlipidämie, Diabetes Mellitus II, Herzkreislauferkrankungen und Hypertonie zusammensetzt. Manche Menschen nehmen dagegen jede Menge Tabletten ein. Müssten sie aber gar nicht. Reflux Ösophagitis ist auch so eine Zivilisationskrankheit, die wir nicht haben müssten, wenn es gute Ernährungsempfehlungen geben würde. Dauerstress müsste auch nicht sein, wenn wir den Tag mit etwas mehr Achtsamkeit leben würden.
Wenn Ayurveda schon seit so langer Zeit praktiziert wird, warum nennen Sie Ihre Bücher zum Thema New Age Ayurveda?
New Age Ayurveda bedeutet, dass wir selbst in die heutige schnelllebige Zeit die Jahrtausende alte Wissenschaft vom Leben integrieren können. Ayurveda passt sich an, hilft uns auch heute noch in Balance zu leben, unseren genetischen Print als ein Geschenk zu sehen und ihn zu nutzen, das Beste unserer Selbst daraus zu machen, unser Potential zu leben.
In meinen Büchern zeige ich, wie jeder von uns eine kleine Kostbarkeit des Ayurveda nutzen kann, um ein besseres Lebensgefühl zu bekommen. Jeder kann mit kleinen Schritten anfangen. Wenn er die Wirkungen erkennt, kann er mehr Ayurveda leben. Ganz wie es zu ihm passt.
Was ist Ihr ultimativer Gesundheitstipp?
Ich selbst beginne meinen Morgen mit einem Glas warmem Wasser und ziehe danach Öl. Dann mache ich 60 Minuten Sport – Tae Bo oder joggen. Wenn es die Temperaturen erlauben, sitze ich anschließend eine Viertelstunde auf einer Bank im Freien und meditiere. Danach dusche und frühstücke ich. Und der Tag kann beginnen. Nach meinem Arbeitstag ziehe ich mich um und setze mich entweder in Stille für ca. 15 bis 20 Minuten hin oder ich tanze eine Runde, je nachdem wie ich mich fühle. Ich esse zweimal am Tag und beide Male warm. Meine dritte Mahlzeit kann Obst oder Salat sein oder einfach eine warme Soja Milch. Ich lebe vorwiegend vegetarisch und nahezu vegan.
Die letzten Monate waren vor allem vom Thema Corona geprägt. Was raten Sie den Menschen?
Gehen Sie raus in die Natur! Und zwar früh morgens, wenn der Rest der Familie noch schläft. Im Grünen tief durchatmen, entweder schnell gehen oder joggen. Wenn kein Wald vor der Tür ist, tut es auch ein Park oder eine Runde mit dem Fahrrad. Es ist wichtig, auch mal allein zu sein, mit sich, seinem Atem, der Natur und auch seinen Gedanken. Danach passt dann ein gemeinsames Frühstück. Am Abend empfehle ich auch noch eine Runde um den Block zu gehen. Auch hier gilt es, tief durchzuatmen und den Tag loszulassen. Die Beklemmungen verschwinden in der Natur und beim Alleinsein.
Welche besonderen Hilfestellungen gibt Ayurveda Frauen in den mittleren Jahren?
Ayurveda unterstützt das Erblühen von Frauen. Ich bin der Meinung, dass Frauen in den mittleren Jahren erst in Kontakt mit ihrer inneren Power kommen. Genau deshalb empfindet das nähere Umfeld sie als schwierig. Frau reflektiert, will sich verändern, frei fühlen. Alle Eingrenzungen kann sie nicht mehr ertragen. Nachdem Frau die neue Ausrichtung gefunden hat, ist sie wieder in sich ruhend, aber nie mehr so, wie sie vor dem Wechsel war. Ich habe deswegen ein Programm entwickelt, bei dem ich Frauen über sechs Wochen begleite. Dabei helfe ich ihnen, sich selbst besser zu managen und auch zu verstehen, welche Prozesse in ihnen ablaufen. Sie lernen, wie sie die Phasen des Übergangs als einen Schub für ihr persönliches Weiterkommen nutzen können. Bisher fühlten sich die Frauen gut abgeholt, verjüngt und auch dynamischer und lebensfroher.
Der Abdruck des vollständigen Interviews erfolgt mit freundlicher Genehmigung von eff. Die Fragen stellte Stephanie Baumann.
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